Eine ehrenwerte Familie (1)

Margrit Bachl
Durchblick USA

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Das Gen für Kleptomanie und den Drang, im Rampenlicht zu stehen, haben sie vom Vater geerbt: seine drei erwachsenen Kinder Eric, Don jun. und Liebling Ivanka Trump. Als Jugendliche hassten sie ihn, weil er ihre Mutter verlassen und öffentlich gedemütigt hatte. Doch nach und nach lernten sie die Vorteile schätzen, die ihnen die väterliche Berühmtheit und sein Geschäftsimperiums boten — und wurden zu seinen treusten Unterstützern.

Von allen fünf Trump-Kindern war Ivanka seit seiner Wahl zum Präsidenten am häufigsten in seiner unmittelbaren Nähe zu sehen, zusammen mit ihrem Mann, dem Immobilienhändler Jared Kushner. Beide wurden zu Beratern ernannt, ohne je ein politisches Amt innegehalten zu haben oder über fachspezifische Fähigkeiten zu verfügen. Trump traute ihnen — das war für ihn seit jeher das Hauptkriterium für einen Platz an seiner Seite gewesen. Ivanka besass eine eigene Firma im Modebereich. Dieses Geschäft führte sie noch jahrelang weiter, obwohl sie das als hohe Regierungsmitarbeiterin nicht hätte tun dürfen; wohl deshalb verzichtete sie auf eine offizielle Funktion im Weissen Haus. Als herauskam, dass sie ihre Kleider und Schuhe vor allem in China herstellen liess, war sie mit einem Boykott-Aufruf konfrontiert. Das war peinlich, hatte ihr Vater doch US-Firmen genau dafür gegeisselt und sie aufgefordert, die Produktion zurück in die USA zu holen. Der Präsident liess es sich trotzdem nicht nehmen, den Boykott öffentlich zu verurteilen. Später wurde bekannt, dass Ivanka im Zusammenhang mit einem Deal, den ihr Vater mit China machte, das Recht erhielt, ihre Marke dort zu vertreiben. Beistand erhielt sie auch von der Präsidentenberaterin und -versteherin Kellyanne Conway, die sich einmal in lobenden Tönen über die Ivankas Bekleidungslinie äusserte.

Jahrelang hatte sie ihren Vater darin unterstützt, Immobilien zu verkaufen, indem sie einerseits ihre Schönheit auf Werbeprospekten zur Schau stellte, andererseits durchaus bereit war, die zukünftigen Käufer über den Tisch zu ziehen — Dutzende von Klagen waren die Folge. Sie half mit ihrem Namen mit, die Marke Trump zu stärken. So sollte der Trump-Tower, der in Moskau geplant war, aber nie realisiert wurde, eine Spa-Landschaft mit ihrem Namen enthalten. Kushner wiederum besass Liegenschaften, die rattenverseucht waren — und tat nichts dagegen. Das trug auch ihm reihenweise Klagen ein. Sein Vater, auch er ein Immobilienhai, war wegen Betrug schon ein Jahr im Gefängnis, als ihn Donald Trump in den letzten Tagen seiner Präsidentschaft begnadigte. Auch Kushner führte seine Geschäfte weiter, obwohl er als Präsidentenberater in der Welt herum jettete, und etwa mit Arabern verhandelte, die er by the way fragen konnte, ob sie nicht in eine Immobilie investieren würden, mit der er sich übernommen hatte, während Ivanka zu Hause die Buchhaltung der Trump-Hotels kontrollierte, in denen die ultra-reichen arabischen Freunde abstiegen und ganze Etagen mieteten.

Diese beiden waren für Trump eine Art „Allzweckwaffe“: Er ernannte Kushner in x Jobs (Nahost, Opiat-Krise, Immigration usw.), seine Tochter, die sich gerne als First Daughter und ehrgeizige Alleskönnerin inszenierte, begleitete ihren Vater an wichtige internationale Konferenzen und setzte sich ganz selbstverständlich mit an den Verhandlungstisch. Als ihr Vater an einem Meeting den Saal kurz verliess, setzte sie sich kurzerhand auf seinen Stuhl und unterhielt sich mit Angela Merkel. Als Beraterin hatte sie indes nicht immer ein gutes Händchen: Sie war es, die die Idee hatte, dass Trump mit einer Bibel in der Hand vor einer Kirche posieren sollte — eine Aktion, die ordentlich in die Hosen ging, mussten doch zuerst Demonstranten mit Tränengas in die Flucht getrieben werden, bevor sie die Bibel aus ihrer Design-Handtasche holen konnte. Anschliessend distanzierte sich sogar Verteidigungsminister Esper von diesem lächerlichen Auftritt.

Es soll Spannungen zwischen ihr und Melania gegeben haben, da sich Ivanka stets in den Vordergrund drängte. Sie sah sich aber nicht nur als First Daughter, sondern auch als eine Art Prinzessin und Thronfolgerin. Um das zu demonstrieren, setzte sie ab und zu Hüte auf, die denen der britischen Royals glichen; sie hatte im Sinn, einmal Präsidentin der USA zu werden — wie übrigens auch Don jun. Dass sie da die Gelegenheit beim Schopf packte, weltweit bekannt zu werden und erste Regierungserfahrungen zu sammeln, war unter diesem Gesichtspunkt verständlich. Sie tat es aber auch, weil sie es liebte, im Rampenlicht zu stehen und sich fotogen in Szene zu setzen. Bei allem konnte sie auf die Unterstützung und Bewunderung ihres Vaters zählen. Nicht nur durfte sie ihm politische Vorschläge machen (vor allem Familien und Frauen betreffend), sie wurde auch immer wieder ins Spiel gebracht, wenn es darum ging, hohe Positionen zu besetzen wie etwa diejenige einer US-Botschafterin für die Uno. Ganz am Anfang der Kampagne soll Trump sogar erwogen haben, sie zur Vizepräsidentin zu machen…

Ivanka war die etwas weichere Version ihres Vaters: Sie gab sich als liebende Familienmutter und Ehefrau mit eigenen Ambitionen. Sie log weniger und schickte keine Beleidigungen durch den Äther. Aber in der Essenz war sie genau so ruchlos, unehrlich und geldgierig wie ihr Vater. Sie kritisierte ihn nie öffentlich, sondern tat alles, um ihn sozialverträglicher und menschlicher erscheinen zu lassen als er war.

Melania hielt sich dagegen lieber im Hintergrund. Sie begleitete ihren Mann häufig auf Reisen, wobei es wiederholt vorkam, dass sie ihre Hand der seinen entzog. Ein- oder zweimal schlug sie sie sogar weg — von Fernsehkameras gefilmt und wieder und wieder genüsslich in Vergrösserung und Zeitlupe abgespielt. Wiederholt wurde über ihre Kleidung gemeckert: An einem Besuch in einer Region, in der der Hurrikan gerade alles zu Kleinholz geschlagen hatte, trat sie mit Highheels auf. Einmal trug sie eine Jacke, die Zehntausende von Dollar gekostet haben soll. Auf einer Afrikareise, die sie ohne ihren Mann antrat, wählte sie ein Outfit, das sie wie auf dem Filmset von „Out of Africa“ wirken liess, Tropenhut inklusive. Sie hatte es nicht ganz leicht als Ehefrau eines Mannes, der Frauen dutzendfach sexuell belästigt und seine Frau gleich nach der Geburt des gemeinsamen Kindes betrogen haben soll. Meistens schwieg sie dazu. Als das „Access-Hollywood“-Tape veröffentlicht wurde, in dem Trump sagte, als Star dürfe er alles, auch den Frauen zwischen die Beine greifen, sagte sie wegwerfend, das seien doch nur Garderobengespräche von Jungs gewesen. Sowohl Ivanka als auch Melania mochten die Tweet-Manie Trumps nicht, Melania gründete sogar eine Initiative, um Internet-Mobbing zu bekämpfen („Be Best“). Ihren Mann konnte sie damit allerdings nicht dazu bringen, auf Beleidigungen und Schmähungen zu verzichten.

Als sich die Trumps aus dem Weissen Haus verabschiedeten, sagte Trump, Melania sei eine äusserst geschätzte First Lady gewesen. Das stimmte nicht. Im Ranking der beliebtesten First Ladys lag sie laut Umfragen an letzter Stelle. Sie wirkte abgehoben und rätselhaft, nicht warmherzig und volksnah wie Michelle Obama oder Jill Biden.

Sohn Don jun. imitierte Stil und Auftreten seines Vaters und übertraf ihn darin sogar manchmal. Wenn er nicht ein Weisser Nationalist und Rechtsextremer ist, so steht er diesen Gruppierungen zumindest nahe und sympathisiert mit ihnen. Sehr oft hat er rassistische, beleidigende und hämische Tweets abgesetzt. Ungeniert hat er die Publicity als Präsidentensohn genutzt, um die Immobiliengeschäfte der Trump-Organization zu pushen, die er und Bruder Eric für seinen Vater führten, der alles überwachte und immer das letzte Wort hatte, obwohl er sich als Präsident aus allen Privatgeschäften hätte heraushalten müssen. Die Trump-Stiftung, deren Vorstand ausschliesslich aus Trump und seinen drei erwachsenen Kindern bestand, musste geschlossen werden, nachdem sie gegen Gesetze verstossen hatte. Gegen die Trump-Organization — etliche Kenner nennen sie eine „kriminelle Organisation“ — wird seit Jahren ermittelt. Es ist zu erwarten, dass in der nächsten Zeit grosses Ungemach auf die Familie zukommt. Trump jun. hat im Juni 2016 ein Treffen mit einer russischen Anwältin im Trump-Tower organisiert, die ihm „Dreck über Hillary“ liefern wollte. Dieses Treffen war Teil der Mueller-Untersuchung, da es ein flagranter Beweis für die Zusammenarbeit der Kampagne mit den Russen war.

Trump hat sich überlegt, seine Kinder (und sogar sich selbst) „präventiv“ zu begnadigen. Schliesslich verzichtete er darauf, weil das den Anschein erweckt hätte, sie hätten sich etwas zu schulden kommen lassen.

Trump hat die USA wie ein Familienimperium regiert; das wichtigste Auswahlkriterium für einen hohen Posten war Loyalität. Auch Politiker mussten sich daran halten, um seine Unterstützung nicht zu verlieren. Viele Republikaner haben das begriffen und huldigten dem Trump-Clan, als wäre er die „ehrenwerten Familie“ eines Mafiabosses. Das sah man insbesondere bei seinen Reden zur Lage der Nation, an der neben Trump vor allem Melania minutenlange stehende Ovationen erhielt, nur weil sie die Frau von war. In einer solchen Welt gab es nur „die Guten“ und „die Bösen“, „sie“ und „wir“. Das, wofür er Hillary Clinton ins Gefängnis werfen wollte und wofür er sie jahrelang gepiesackt hat, waren bei Ivanka nur „Peanuts“: Beide liessen geschäftliche E-Mails über ihren privaten Server laufen. Er mischte verfassungswidrig im Justizdepartement mit, wo die „Guten“ auf Strafbefreiung hoffen konnten, und die „Bösen“ für Dinge angeklagt werden sollten, die gar keine Verbrechen waren.

Im Folgenden lesen Sie Ausschnitte aus meinem politischen Tagebuch, die weitere Einblicke ins sehr besondere Familienleben der Trumps geben.

In einem Fernsehsender wurde ein langes Interview mit der Pornodarstellerin Stormy Daniels ausgestrahlt, die behauptete, eine Affäre mit Trump gehabt zu haben; bemerkenswert daran war höchstens, dass er zu ihr gesagt haben soll, sie erinnere ihn an seine Tochter Ivanka; das Gleiche hatte ein Ex-Model vor ein paar Tagen gesagt. Solche Vergleiche würden in einer gesunden Familie nicht gemacht, meinte ein Kommentator. Einmal hatte Trump sogar gesagt, er würde Ivanka daten wollen, wäre sie nicht seine Tochter… Er äusserte sich auch öffentlich über ihre Oberweite.

Gemäss Daniels und dem, was auch in den Medien kolportiert wurde, hatte Trump gleichzeitig eine zweite Affäre — mit der Ex-Playmate Karen McDougal; dies kurz, nachdem sein Sohn Barron auf die Welt gekommen war. Als Erstere ihn darauf ansprach, habe er gesagt: „Kein Problem, wir haben sowieso getrennte Schlafzimmer.“ McDougal habe er sogar durch seine Wohnung im Trump-Tower geführt; als sie sich unwohl fühlte, sagte er: „Don’t worry, die sagen schon nichts.“ (Wahrscheinlich meinte er das Wach- oder Dienstpersonal.) Erwiesen war, dass Trump kurz vor der Wahl beiden Frauen Schweigegeld gezahlt hatte.

Nach dem Interview mit Daniels sagte ein Kommentator: „Hoffentlich hat Trump gestern dafür gesorgt, dass Melania ein anderes Programm schaute.“

Wie lange dem die First Lady noch zuschauen würde? Wie es schien, fragte sich das sogar Trump. An einer Veranstaltung sagte er: „Alle fragen sich, wer als nächstes geht, ein Staatssekretär oder Melania?“ Offenbar hatte er manchmal sogar Humor…

Am Dienstag, 24. April 2018 zeigte CNN eine Aufnahme von Melania. An der Abdankungsfeier von Barbara Bush sass sie neben Obama, der sie zum Lächeln brachte. Ein gefundenes Fressen für die Medien. Derjenige, den Trump als seinen Erzfeind betrachtete, brachte Melania zum Lächeln, während Trump das nie schaffte. Das Foto wurde einem Bild von der Inauguration Trumps gegenübergestellt, auf dem sie eine versteinerte Miene hatte. „Frage: Auf welchem Bild ist Melania an einer Beerdigung?“

Ivanka Trump gab ihre Kleidermarke auf. Sie war immer wieder dafür kritisiert worden, dass sie ihr Business weiterführte, während sie als Beraterin des Präsidenten arbeitete. Jetzt wollte sie offenbar nur noch Letzteres. Wobei man in den vergangenen Monaten nicht viel von ihr gehört hatte. Ihr Entscheid deutete aber darauf hin, dass sie damit rechnete, dass ihr Vater noch länger im Amt bleiben werde…

In einem Interview sagte die Trump-Tochter, sie glaube nicht, dass die Presse der Feind des Volkes sei, und sie sei sehr betroffen von der Situation an der amerikanisch-mexikanischen Grenze; Kinder sollten nicht im Namen der Politik von ihren Eltern getrennt werden, das sei ein Tiefpunkt der Präsidentschaft gewesen. Kommentatoren fanden die Aussage „nett“, aber nicht mehr. Sie habe keine Konsequenzen, abgesehen davon, dass der Skandal mit den Kindern, die den Eltern weggenommen worden waren, gar nicht beendet war. Sie hätte nicht sagen müssen, es sei ein Tiefpunkt gewesen, sondern es sei immer noch einer, und sie würde alles daran setzen, dass das wieder in Ordnung gebracht würde. Das tat sie aber nicht.

Im Mai 2018 äusserte sich auch Melania Trump zur Katastrophe an der Grenze: Sie hasse es, dass Kinder von ihren Eltern getrennt würden. Schliesslich flog sie mit dem Regierungsjet in eines der Grenzlager. Dort stellte sie ein paar Betreuungspersonen, wohl eher Wächtern, ein paar zahme Fragen wie: „Wie lange werden die Kinder hier bleiben?“ (Das Lager war eines für Jugendliche, also deutlich weniger empörend als ein Kleinkinder-Camp, in dem die Kleinsten traumatisiert nach ihren Eltern schrien.) Sie hütete sich zu sagen, wer für die Familientrennungen verantwortlich war. Sie griff auf die Formel zurück, was hier mit den Kindern geschehe, sei „die direkte Folge der Handlungen Erwachsener“, ohne diese „Erwachsenen“ beim Namen zu nennen. Sie hoffe, dass „beide Lager“ sich bald einigen könnten…Unklar, welche „Lager“ sie meinte.

Unverständlicherweise trug sie eine Jacke, auf deren Rückseite der Satz stand: „I really don’t care, do you?“ („Mir ist es wirklich egal, und dir?“) Wieso war sie so ungeschickt, mit einer Jacke eine neue Kontroverse loszutreten? Denn alle fragten sich, was ihr egal war: die Lager, die Politik ihres Mannes, oder was die Leute dazu sagten? Ihr Büro liess verlauten, die Inschrift auf ihrer Jacke beinhalte keine Botschaft. Doch Trump sagte, der Satz habe sich auf die Fake News-Medien bezogen…

Die Kommentatoren waren sich einig, dass die „Null-Toleranz-Politik“ an der Grenze Trump schadete. Er habe eine Art Overkill betrieben, der auf Empörung gestossen sei. Sogar für seine Basis sei er einen Schritt zu weit gegangen. Die Aktion zeige seinen wahren Charakter, der amoralisch und unmenschlich sei. Was das für den Wahlherbst bedeute, werde sich zeigen.

Als Trump wenig später diese brutale Politik aufgab, munkelte man, Ivanka und Melania hätten ihn dazu überredet.

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