GOP auf „Suizidmission“

Margrit Bachl
Durchblick USA
Published in
4 min readApr 18, 2024

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Die Abstimmung über die Ukraine-Hilfe hat das Potenzial, die GOP zu zerreissen. Ein Ex-Speaker warnt vor der „Suizid-Mission“ der Ultras, die mit der Absetzung ihres Speakers drohen.

Monatelang hat Speaker Johnson die Abstimmung über das Hilfspaket vor sich her geschoben, weil die Ultras sich mit Händen und Füssen dagegen wehrten und ihm mit der Absetzung drohten. Dann hat er es in vier Einzel-Pakete aufgesplittet, aber auch das passt den Radikalen nicht. Denn es ist absehbar, dass das Repräsentantenhaus die Hilfspakete einschliesslich die Hilfe an die Ukraine durchwinken wird.

Nun setzte Johnson die Abstimmung auf nächsten Samstag an. Endlich packte er den Stier bei den Hörnern und erklärte, er sei bereit, das „Richtige zu tun“, denn er glaube, die Hilfe sei für die Ukraine „kritisch wichtig“. Deshalb kümmere er sich nicht in erster Linie um seine Position als Speaker, sondern darum, „meinen Job zu tun“. Marjorie Taylor Greene (MTG) liess umgehend verlauten, sie habe „zunehmende Unterstützung“ für ihre Absetzungsmotion, wobei nicht klar ist, wer alles sie unterstützen würde: Bisher hat ein einziger Haus-Republikaner angekündigt, dies sicher zu tun. Ein anderer Republikaner nervte sich über diese Ultras, die „offenbar wollen, dass Putin den Krieg gewinnt“. Das sei „eine bizarre Position“.

Suizidal destruktiv“

Unerwartete Unterstützung erhält Johnson von einem früheren Republikanischen Speaker, Newt Gingrich, eigentlich selbst ein Hardliner. Er sorgt sich über die Konsequenzen, die dieses Gerangel und Gekeife für die Republikaner im Herbst haben könnte. In einem Post schrieb er am 16. April: „Speaker Johnson bemüht sich, das komplizierteste Repräsentantenhaus seit dem Bürgerkrieg zu führen. Jeder Republikaner, der den Vorsitzenden absetzen will, sollte als total destruktiv gekontert werden. Es brauchte 15 Abstimmungen, um Speaker McCarthy zu wählen. Es brauchte drei Wochen, um Speaker Johnson zu wählen. Er sollte dienen, bis jemand anderes beweist, dass er 218 Stimmen machen kann. Jeder andere Weg ist suizidal destruktiv für die GOP.“

Das Nazi-Gerede von MTG

Ein Demokratischer Abgeordneter regte sich zudem mächtig auf, als MTG einmal mehr empörende Aussagen über angebliche Nazis in der ukrainischen Armee und Führung machte, die sie wohl direkt der russischen Propagandamaschinerie entnommen hatte. Er forderte, dass dieses Nazi-Gerede endlich aufhöre, es habe keinen Platz im Haus. Zur Erinnerung: MTG hatte während der Pandemie ständig Nazi-Vergleiche gemacht und Symbole wie den Judenstern bemüht, um kundzutun, dass die Leute, die gegen Impfungen und andere Schutzmassnahmen waren, wie Juden unter der Nazi-Herrschaft behandelt würden. Sie hatte auch wiederholt die „Theorie“ geäussert, verschiedene Schulschiessereien seien nur inszeniert worden, um gegen die Waffenlobby vorgehen zu können. Und sie hatte geschworen, am ersten Tag seiner Regierung ein Impeachment-Verfahren gegen Biden zu beantragen.

Impeachment scheitert definitiv

Das Impeachment gegen Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas scheiterte im Senat innerhalb von wenigen Stunden, ohne dass irgendwelche Argumente dafür oder dagegen geäussert wurden. Beispiellos wie vieles zur Zeit. Das Verfahren stand von Anfang auf wackligen Beinen, und kam sogar im Haus, wo die GOP die Mehrheit hat, erst beim zweiten Versuch durch. Mayorkas wurde von der Haus-GOP vorgeworfen, den Kongress über die Situation an der Grenze belogen zu haben und das Gesetz verletzt zu haben. Dieselben Haus-Republikaner, die diese beiden Anklagepunkte erhoben hatten, waren es aber gewesen, die das einschneidende Grenzgesetz, zu dem die Demokraten vor einigen Monaten Hand geboten hatten, in Bausch und Bogen und auf Bitte Trumps verworfen hatten. Trump wollte verhindern, dass ihm das Thema abhanden kommt und Biden mit dem Grenzgesetz eine Art „Gewinn“ einfahren könnte. Ihnen wurde zu Recht vorgeworfen, das Spektakel eines Impeachments, das nichts bringe, einer politischen Lösung vorgezogen zu haben.

Einige Republikaner waren wütend und drohten, in Zukunft das Gleiche zu tun (Impeachment-Anklagen ohne Diskussion vom Tisch zu wischen), wenn sich die Gelegenheit ergeben würde. Die Demokraten wiederum haben seit Langem klar gemacht, dass das Impeachment eines Ministers, der sich keiner Verbrechen und Vergehen schuldig gemacht hatte, ein No-go sei und im Senat, wo sie die Mehrheit haben, durchfallen würde. Es sei falsch und sinnlos, politische Differenzen auf diese Weise lösen zu wollen. Denn wäre Mayorkas aus dem Amt entfernt worden, hätte ein Nachfolger übernommen und die gleiche Politik der Biden-Administration weitergeführt. Für die extremen Republikaner ist natürlich auch Biden „schuldig“ und würde das Impeachment verdienen.

Auf Biegen und Brechen

Spannend jetzt zu verfolgen, ob die Hilfspakete durchkommen und Johnson im Amt bleiben wird. Johnson wird aber, auch wenn er vorläufig „überleben“ würde, weiterhin auf einem Schleudersitz sitzen, denn zu gross sind die Differenzen innerhalb der Partei. Nicht zuletzt legen es die Ultras ja geradezu darauf an, auf Biegen und Brechen zu „politisieren“ und keinem Kompromiss zuzustimmen. Kurios ist es allemal, dass eine Fraktion der Partei dem eigenen Speaker mit Amtsenthebung droht, um ihre Minderheitsmeinung durchzudrücken. Dass sie Chaos und Dysfunktion in einem Wahljahr, ja eine Wahlschlappe in Kauf nimmt. Dass sie einem Mann gegenüber so unversöhnlich eingestellt ist, der selbst aus ihren Reihen hervorging und offenbar erst als Speaker „gemerkt“ hat, was es bedeutet, zu regieren und etwas getan zu kriegen.

Bizarr auch, dass der Speaker, Nummer drei in der Macht-Hierarchie der USA, zu einem Donald Trump nach Florida reisen musste, einem totalen Loser, der kein Amt innehält und zahlloser Verbrechen angeklagt ist, um dessen Unterstützung zu erhalten. Dieser ist nicht wirklich geneigt, Johnson gegen Radikale wie Marjorie Taylor Greene zu helfen beziehungsweise Letztere zu Zurückhaltung zu mahnen. Die Maga-Republikaner werden wie der sprichwörtliche Krug zum Brunnen gehen, bis sie brechen — oder siegen.

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