Johnson und Trump in Mar-a-Lago.

Trump hat die GOP in die Sackgasse geführt

Margrit Bachl
Durchblick USA
Published in
5 min readApr 13, 2024

--

Die GOP-Fraktion im Repräsentantenhaus zerfleischt sich selbst und bringt nichts mehr zustande. Wie vor ein paar Monaten sein Vorgänger McCarthy musste nun auch Speaker Johnson eine „Pilgerreise“ zu Trump antreten, um einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, in dem er sich befindet. Ob ihm das gelingt, wird sich erst noch weisen müssen.

Seit Jahr und Tag säen die Ultras in der GOP Chaos und Zwietracht. Die Leute rund um Trump versuchen mit allen Mitteln, die Macht in der Partei zu ergreifen und sich gegenüber der gemässigten Mehrheit durchzusetzen. Diese erhält nun gewissermassen die Quittung dafür, dass sie es jahrelang zuliess, dass sie sich gängeln liess. Die Ultras sind Extremisten: Sie sind zu keinerlei Zugeständnissen gegenüber den Demokraten und Gemässigten der eigenen Partei bereit und blockieren alles, das nicht ihren eigenen, maximalen Forderungen entspricht. Die Folgen sind gravierend und weitreichend. Da das Zweiparteien-System der USA nur funktioniert, wenn sich beide Parteien an die Spielregeln der Demokratie und des Rechtsstaates halten und immer wieder Kompromisse finden, führt diese Blockade-Politik zur Lähmung des gesamten politischen Apparates. Die Republikaner, man erinnert sich, brauchten x Versuche und Wochen, bis McCarthy endlich zum Speaker gewählt war — und das gelang auch nur, nachdem er weitgehende Zugeständnisse an die Radikalen gemacht hatte, unter anderem, dass eine einzige Person eine Motion zu seiner Absetzung einreichen kann. Alsbald wurde McCarthy denn auch des Amtes enthoben, weil er mit den Demokraten einen Deal eingegangen war, um den drohenden Shutdown zu verhindern.

Johnson auf dem Schleudersitz

Nun droht Johnson das gleiche Schicksal wie seinem Vorgänger: Auch er sah sich im Februar gezwungen, einen Shutdown zu verhindern, was gelang — wiederum gegen den Willen der Ultras, die verlangten, dass das Staatsbudget massiv zusammengestrichen werden sollte. Seither sitzt er auf einem Schleudersitz. In einem Interview warnte er vor der Blockade-Politik der Ultras, zu denen er ja gewissermassen auch gehört: Das Nichtstun werde von den Wählern nicht goutiert und könnte im Herbst zum Verlust der Mehrheit im Repräsentantenhaus führen. „Wir können den Kongress nicht schliessen“, warnte er frustriert (die Republikaner im Haus können wegen diversen Abgängen sowieso nur noch eine einzige Stimme „verlieren“, was es Johnson praktisch unmöglich macht, ein Geschäft ohne die Demokraten durchzubringen). Doch das scheint die Ultras nicht zu kümmern. Sie blockieren weiterhin und seit Monaten unter anderem die Ukraine-Hilfe; auch das neue Grenzgesetz, zu dem die Demokraten Hand geboten hatten, lehnten sie auf Anweisung Trumps ab.

Johnson befindet sich im Dilemma. Lässt er beispielsweise über die Ukraine-Hilfe abstimmen, welche im Haus aller Voraussicht nach eine Mehrheit fände, droht ihm die Absetzung. Das Haus wäre dann wieder wochenlang damit beschäftigt, einen neuen Speaker zu finden. Aber Trump und die Ultras, und vor allem die lauteste und virulenteste unter ihnen, Marjorie Taylor Greene, sind strikt gegen die Ukraine-Hilfe. Taylor Greene hat noch vor Ostern angekündigt, eine Motion gegen Johnson zu starten, sollte er abstimmen lassen. Deshalb seine Reise nach Mar-a-Lago. Diese bringt aber auch Trump in ein gewisses Dilemma: Soll er für seinen Super-Fan Taylor Greene oder für Johnson Partei ergreifen? An sich ist ja auch Trump gegen die Hilfsgelder für die Ukraine…

Totale Dysfunktionalität

Natürlich könnte Johnson die Motion von Marjorie Taylor Greene überleben — die Demokraten haben ihm ja versprochen, ihn zu „retten“, wenn er über die Ukraine-Hilfe abstimmen lässt, aber nach Johnsons Meinung sähe es schlecht aus, wenn er nur dank den Demokraten im Amt bliebe — das würde sein Ansehen bei den Republikanern unterminieren, obwohl ja viele durchaus für die Ukraine-Hilfe sind und sich über die Ultras ärgern, die den ganzen Kongress als Geisel nehmen. Die schrille Marjorie Taylor Greene ist auch äusserst unbeliebt und nervt viele Kongressabgeordnete.

Der Ineffizienz und Dysfunktionalität nicht genug: Das Haus beschäftigt sich seit Monaten mit total nebensächlichen, ja nur auf Rache beruhenden „Scheingeschäften“ wie den Impeachments von Biden und Heimatschutzminister Mayorkas, zu denen es nie kommen wird. Vor ein paar Tagen verschob Johnson einen Entscheid bezüglich Mayorkas’ Impeachment auf nächste Woche, weil er das Unvermeidliche hinausschieben will, dass nämlich der Senat, wo die Demokraten die Mehrheit haben, das Impeachment von Mayorkas im Handumdrehen „erledigt“. Auch den Fall Biden lassen die Republikaner bewusst in der Schwebe, obwohl sie nichts gegen Biden in der Hand haben. Zudem plant der zuständige Ausschuss, das Justizdepartement zu „bestrafen“ (wie immer das aussehen könnte), weil es sich geweigert habe, ihm die Videoaufnahmen von Bidens Befragung durch Sonderermittler Hur im Fall der Dokumente, die er bei sich gelagert hatte, zu übergeben. Die Meinung des Justizdepartements ist, dass der Ausschuss über alles verfügt, was er für eine Beurteilung braucht (Hur hatte Biden sowieso frei gesprochen). Es ist nur noch grotesk, peinlich und gefährlich. Waren die Demokraten früher für die Republikaner politische Kontrahenten, mit denen man Kompromisse aushandelte, so sind sie für die heutigen Maga-Republikaner der ultimative Feind, fast schon der Teufel. Das ist das Neue an der Sache; dieses Verhalten wird dem politischen System letztlich den Todesstoss versetzen.

Pilgerreise“ nach Mar-a-Lago

Am Freitag, 12. April reiste Johnson nach Mar-a-Lago, wo er mit Trump eine Pressekonferenz zur „Wahlintegrität“ abhielt. Grotesk auch das, war doch Trump der Instigator für den beispiellosen Versuch, die Wahl 2020 zu seinen Gunsten zu drehen; Johnson findet noch heute, es habe schwerwiegende Probleme gegeben. Er hatte sich bisher immer geweigert zu sagen, dass Biden der legitime Präsident sei. Ohne Evidenz behaupteten die beiden an der Pressekonferenz, es bestehe die Gefahr, dass Leute, die nicht Bürger der USA sind, an der nächsten Wahl teilnehmen würden. Damit hielten sie indirekt an ihrer Behauptung fest, dass es 2020 zu grossangelegtem Betrug kam und bereiteten das Terrain für spätere Betrugsvorwürfe, sollte Trump die Wahl im Herbst verlieren. Johnson versprach sogar ein Gesetz, um diese Betrugsmöglichkeit auszuschalten, obschon es praktisch unmöglich und natürlich schon heute illegal war, als Nicht-Bürger zu wählen. Davon abgesehen, gibt es bezüglich der Art, wie abgestimmt werden soll, eine parteiinterne Spaltung: Trump riet 2020 seinen Parteigenossen davon ab, per Post abzustimmen, weil er davon überzeugt war, dass es ein Freipass zum Wahlbetrug war. Viele Republikaner gingen deshalb nicht wählen, weil sie sich einerseits wegen Corona nicht in Wahllokale begeben wollten, andererseits wegen Trumps Warnung auch nicht schriftlich abstimmten. Das hatte den Demokraten einen Vorteil verschafft, die in Massen brieflich abstimmten.

Nun gibt es Republikaner, ursprünglich sogar die RNC-Co-Präsidentin Lara Trump, die ihre Wählerbasis dazu aufrufen, brieflich zu wählen, wenn es ihnen nicht möglich ist, persönlich ins Wahllokal zu gehen. Das Neuste, das man vor Lara Trump weiss, ist, dass sie in einem Spot den „Wahlbetrug der Demokraten“ von 2020 wieder aufwärmte und die Getreuen dazu aufrief, ein „Spezial-Wahl-Geschenk“ in der Höhe von 35 oder 50 Dollars zu machen, um einen „erneuten Wahlbetrug 2024“ zu verhindern. Auch das ein Symptom dafür, dass die Partei über Trumps Beharren auf seinem Wahlsieg 2020 einfach nicht hinwegkommt und sich ständig von neuem selbst ein Bein stellt.

Das „Küssen des Rings“ scheint sich für Johnson zumindest kurzfristig gelohnt zu haben. Trump sagte an der Pressekonferenz, Johnson mache einen „sehr guten Job“. „Ich bin sicher, dass Marjorie das versteht.“ Das ist nicht gerade viel, und ob Taylor Greene deshalb auf ihre Absetzungs-Motion verzichtet, ist alles andere als sicher. Offenbar soll schon nächste Woche über die Ukraine-Hilfe abgestimmt werden. In diese unmögliche Situation hat sich die GOP ganz allein gebracht.

--

--