Trump und sein Team (3)

Margrit Bachl
Durchblick USA

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Trump behauptete immer gerne, er berufe die besten Leute des Landes in seine Regierung. Das Gegenteil war der Fall: Er zog die Unfähigsten und Korruptesten an. Ausserdem waren inzwischen mindestens fünf frühere Regierungsmitglieder beziehungsweise Kampagnenmitarbeiter verurteilt worden oder hatten sich eines Verbrechens/Vergehens schuldig bekannt.

Auch weiterhin dabei waren Leute wie der Ex-TV-Star Omarosa Manigault, das Ex-Model Hope Hicks, die mit nicht mal 30 Jahren die Leiterin der Kommunikationsabteilung wurde, der Ex-Fox News-Mitarbeiter John Bolton und der Ex-Fox News-Chef Bob Shine, der wegen sexueller Belästigung aus dem Sender geflogen war, die Kohle- und Ölindustrie-Vertreter Pruitt und Tillerson, der bigotte Frömmler und Schwulenhasser Pence, die Milliardärin DeVos, die am liebsten alle Schulen privatisieren würde, einer (Porter), der seine beiden Ex-Frauen geschlagen hatte, einer (Stone), der eine ruhmlose Rolle in der Hacker-Affäre gespielt hatte, einer (Price), der auf Staatskosten im Privatjet durch die Welt geflogen war (wie übrigens auch Pruitt), die Erfinderin der „alternativen Fakten“ Conway, der Rassist und White-Supremacist Steve Bannon, die Präsidententochter und der Schwiegersohn, die ihre privaten Geschäfte weiterführten und sie von ihren politischen Kontakten profitieren liessen, Sohn Don jun., der am Trump Tower-Meeting teilgenommen hatte und mit seinem Bruder die Geschicke der Trump-Organization bestimmte (mit Papa als Einflüsterer) und und und.

Das war noch nicht alles. Ein weiterer republikanischer Abgeordneter, Duncan Hunter, und seine Frau wurden angeklagt, Gelder der Trump-Kampagne veruntreut zu haben. Sie sollen rund 250'000 Dollar für private Zwecke wie Reisen, Kleidung usw. verwendet haben. Hunter soll dem Justizdepartement geschrieben haben, dass es sich bei der Anklage um eine politische Attacke des Clinton-Clans gegen ihn handle… Diesen arroganten Behauptungen lag eine „Kultur“ zugrunde, die ganz oben vorgelebt und unten nachgeahmt wurde — weil man davon ausging, dass dieses ruchlose Verhalten unentdeckt, geduldet oder straflos bleiben würde. Dazu gehörte, dass diese Leute nie ein Schuldbewusstsein hatten, sondern Korruption ausschliesslich bei den Demokraten und insbesondere Hillary Clinton ausmachen konnten.

Hunter (unter anderem unternahm er mit seiner Frau eine Reise nach Italien im Gegenwert von 14'000 Dollar) hatte einen bemerkenswerten Auftritt bei Fox News. „Ich missbrauchte keine Kampagnengelder. Sicher wird man überprüfen müssen, was der Kampagnenmanager tat, aber ich tat nichts Falsches, veruntreute kein Geld“, sagte er zornig. Wer war der Kampagnenmanager? Seine Frau…

Schon ein anderer Republikaner, der Trump-Mitarbeiter Carson, der für Zehntausende von Dollar in seinem Büro Sicherheitstüren hatte installieren lassen (oder hatte er die sehr teuren Büromöbel angeschafft, die ebenfalls als missbräuchliche Ausgabe untersucht worden waren?), hatte seine Frau beschuldigt. Schöne Sitte das, obwohl es die Männer waren, die gewählt worden waren. Doch anderen die Schuld zu geben, sich selbst für unangreifbar zu halten, sich alles zu erlauben, das gehörte halt zur „Trump-Kultur“.

McGahn, der Anwalt des Weissen Hauses, der bei Mueller während neun Monaten 30 Stunden lang ausgesagt hatte, verlasse im Herbst das Weisse Haus. Dies erfuhr man durch einen Trump-Tweet, der schloss: „Ich habe eine lange Zeit mit Don zusammengearbeitet und schätze ehrlich seinen Dienst.“ Der Witz dabei: McGahn selbst wusste nicht, dass Trump einen solchen Tweet absetzen würde. Mit anderen Worten: Er wurde gefeuert. Es schien, dass er selbst gehen wollte, aber Trump wollte schneller sein. Das war wieder mal die ganz „nette“ Tour. Und wie fast alle, die vor ihm gefeuert wurden, hatte auch McGahn Anrecht auf eine abschliessende positive Bewertung.

Der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, bedauerte diesen Abgang, „wenn es wahr ist.“ Aber er hatte es doch von einem Tweet Trumps erfahren. Warum dann diese Zweifel? „Weil es oft nach einer Ankündigung zu Änderungen oder Verschiebungen kommt“, sagte ein Kommentator. „Das Weisse Haus ist nicht eine Truppe von Planern, sie haben mit täglichen Krisen zu kämpfen.“

Eine weitere Person aus dem Dunstkreis Trumps hatte sich schuldig bekannt, und zwar des „illegalen ausländischen Lobbyings“. Samuel Patten riskierte bis zu fünf Jahre Gefängnis und eine Busse von 250'000 Dollar, weil er Geld ukrainischer Oligarchen in Trumps Inaugurationsfeier hatte fliessen lassen und für sie Eintrittskarten für diese Feier beschafft hatte. Für sein Lobbying hatte er sich nicht registrieren lassen. Bei einer Befragung durch den Kongress hatte Patten verneint, dass ukrainisches Geld in die Feier geflossen war. Beides, Lügen und Nicht-Registrierung, galt als Verbrechen.

Der Trump-Kampagnenmitarbeiter Papadopoulos, der sich ebenfalls für schuldig erklärt hatte, unter anderem, das FBI angelogen zu haben, und dessen Prozess für den frühen September anberaumt war, trat mit einer erstaunlichen Aussage an die Öffentlichkeit. Er behauptete, Justizminister Sessions habe in seiner Kongress-Anhörung unter Eid gelogen: Er, Papadopoulos, habe vorgeschlagen, dass sich Trump und Putin während der Kampagne treffen. Sessions und Trump hätten den Vorschlag positiv aufgenommen. In seiner Anhörung hatte Sessions auf eine Frage aber geantwortet, er habe den Vorschlag abgelehnt…

Anfang September drückte Trump seinen Ärger gegenüber Sessions wieder einmal per Twitter aus. Dass das Justizministerium zwei Republikanische Abgeordnete so kurz vor den Wahlen angeklagt hatte, störte ihn, da die Republikaner diese beiden Sitze verlieren könnten. Chris Collins war in 13 Punkten wegen Insiderhandel angeklagt, Duncan Hunter wegen Missbrauch von Kampagnengeldern. Ganz klar warf Trump Sessions vor, dass er diese Anklagen wegen Korruption nicht fallen liess — im Interesse der Republikaner! In seinem Tweet beschuldigte Trump sogar Obama. Seine Administration habe diese „lang dauernden Untersuchungen gegen zwei sehr populäre Republikanische Kongressabgeordnete“ angefangen. Falsch, sie wurden erst im Februar 2017 gestartet. „Good Job, Jeff“, monierte er zynisch, dass die Anklagen kurz vor den Wahlen publik wurden, was zwei „leichte Gewinne“ in Frage stelle…

Der Republikanische Senator Ben Sasse reagierte empört: „Die USA sind keine Bananenrepublik.“ Es sei der Job des Präsidenten, die Verfassung zu verteidigen und die unparteiische Justiz zu schützen. Er war nicht der Einzige, der sich aufregte.

Furcht“

Am 4. September erschienen erste Zitate und Kommentare über das Buch von Woodward („Fear: Trump in the White House“), das am 11. September erscheinen sollte — und hatten die Wirkung einer Bombe. Woodward hatte nach eigenen Angaben Hunderte von Stunden Leute aus Trumps Umfeld interviewt und ihre Meinung zu Trumps Regierungsstil eingeholt. Es waren weniger die Urteile über Trump, die überraschten, als vielmehr, wer sie machte. Nämlich nicht seine Feinde, Demokraten, Trump-Kritiker, sondern Leute aus seiner eigenen Administration, zum Teil enge Mitarbeiter. Ex-Wirtschaftsberater Gary Cohn sagte laut Woodward, es sei vorgekommen, dass man Dokumente von Trumps Schreibtisch entwendet habe, um zu verhindern, dass er sie unterschrieb. Verteidigungsminister Mattis sagte, Trump verstehe die Welt wie ein Sechstklässler. Stabschef Kelly wurde zitiert: „Er ist ein Idiot. Es bringt nichts zu versuchen, ihn von irgendetwas zu überzeugen. Es ist entgleist. Wir sind in Paranoia-City. Ich weiss nicht, warum überhaupt noch welche von uns dort sind. Das ist der schlimmste Job, den ich je hatte.“ Jemand bezeichnete Trump als „professionellen Lügner“, ein anderer als „lügnerischen Schwachkopf“. Trump habe eine kolossale Ignoranz, er sei in seinem Amt auf Geld fokussiert, so müsse man ihm immer klar machen, wofür zum Beispiel Truppen in einem bestimmten Land gut oder sogar nötig seien. Ein weiteres, sehr reales Problem war, dass das Ausland oft nicht wusste, auf wen es zählen konnte, auf Trump oder auf Minister und Mitarbeiter, die Trumps Aussagen oder Versprechen relativierten oder ganz zurücknahmen. So geschehen, als Trump sagte, er würde ohne Vorbedingungen mit dem iranischen Präsidenten reden — sofort. Pompeo sagte kurz darauf, ein paar Bedingungen gäbe es aber schon. Oder Russland, das sich ausschliesslich auf Trump berief, als es via seinen Sprecher verlauten liess, die USA glaubten nicht, dass es sich in die Wahlen 2016 eingemischt habe.

Verrat“

Am Tag danach kam es noch schlimmer für Trump. In der New York Times erschien anonym ein Meinungs-Editorial eines hohen Mitglieds der Administration (die Zeitung kannte die Identität des Verfassers). Die Person schrieb, sie sei Teil einer „Widerstandsgruppe“, die aus der Pflicht heraus agiere, das Land vor Trump zu schützen. Deshalb bleibe sie auch vorerst in der Verwaltung, zusammen mit ein paar anderen „Erwachsenen“. Man versuche zu verhindern, dass der Präsident irrationale und gefährliche Dinge tat. „Wir wollen das Richtige tun, auch wenn es Donald Trump nicht tun will.“ Trump sei „amoralisch“, habe „schlimme Neigungen“, „keine erkennbaren Grundprinzipien, die ihm bei seinen Entscheiden helfen.“ Seine Impulse seien antidemokratisch und wirtschaftsschädigend. Störend seien seine Angriffe auf die Medien als „Feinde des Volkes.“ Er leide unter enormen Gemütsschwankungen, ändere grundlos seine Meinung. Es sei das nationale Sicherheitsteam gewesen, nicht Trump, das nach dem Giftanschlag in England Massnahmen gegen Russland umgesetzt hatte, Trump habe sich lange geweigert, Russland dafür zur Verantwortung zu ziehen. Man habe sich gefragt, ob Trump des Amtes enthoben werden sollte, habe sich jedoch dagegen entschieden, um eine Verfassungskrise zu verhindern, so der anonyme Schreiber, der sich als konservativer Republikaner bezeichnete. „Wir werden uns McCain zum Vorbild nehmen“, stand weiter geschrieben. Man habe nichts gegen die konservative Agenda Trumps, aber viel gegen sein Benehmen.

Ein CNN-Moderator sagte, so etwas habe man in der US-Geschichte noch nie gesehen. Klar vergrössere dieser Essay die Paranoia im Weissen Haus zusätzlich. Trump musste sich sabotiert fühlen, in den Fängen des Deep State, der im Hintergrund die Fäden zog. Er hatte sich schon oft über Leaks beklagt, doch das hier übertraf jedes Leak. Und da die Medien offenbar mitzogen, musste es für ihn auch eine Bestätigung dafür sein, dass die Medien die Feinde, vielleicht nicht des Volks, aber seiner Regierung und Person, waren. Sie seien nicht der Deep State, sondern der „ready State“ (bereite Staat), hatte der anonyme Autor vorausschauend geschrieben.

Das Ganze war nicht nur einzigartig, es war auch eine ausgemachte Krise, ja Katastrophe für das Weisse Haus, das unwiderruflich auf einen Punkt zusteuerte, an dem es nicht mehr handlungsfähig sein würde. Natürlich reagierten Trump und Sanders, aber ihre Reaktionen wirkten schwach und wirkungslos gegen den Sturm, den der Artikel losgetreten hatte.

Sprecherin Sanders diffamierte den Autor, die Autorin als „erbärmlich“, „unverantwortlich“ und „selbstsüchtig“. Er oder sie hintergehe den gewählten Präsidenten. „Dieser Feigling sollte zurücktreten.“

Auch Trump geisselte den Autor als feige. In einem Tweet schrieb er: „Existiert dieser so genannte ‚hohe Verwaltungsbeamte‘ überhaupt oder ist es bloss die versagende New York Times mit einer weiteren erfundenen Quelle? Wenn die FEIGE anonyme Person wirklich existiert, muss die Times aus Gründen der nationalen Sicherheit, ihn/sie sofort der Regierung übergeben!“

In einem weiteren Tweet schrieb er nur ein Wort in Grossbuchstaben: „VERRAT!“ Pompeo meldete sich aus Indien zu Wort: „Es ist traurig, dass der Autor im Amt bleiben will, um die Verwaltung zu unterminieren.“ Die Handlungsweise der Medien sei „verstörend“. Während Pompeo und einige andere also der Meinung waren, eine Person, die so etwas schrieb, sollte zurücktreten, weil sie dem Land Schaden zufüge, wollte der anonyme Autor bleiben, weil er das Land vor Trump schützen wollte. Es waren die amerikanischen Stimmbürger, die letztlich entscheiden mussten, ob Trump und Co. das Land gefährdeten oder ihm Gutes taten.

Es gab Leute, die das Risiko beträchtlich fanden, dass Trump nun erst recht das Falsche tat und sich nichts mehr sagen liess. Dass er sich noch mehr von seinen Beratern isolieren würde. Andere fanden es unverantwortlich, dass die Republikanische Partei einen wie Trump machen liess, das ganze Chaos, seine Unvorhersehbarkeit und Gefährlichkeit in Kauf nahm, bloss, weil sie von Trump das erhielt, was sie wollte, der Autor inklusive. „Dass er sich als besorgt gibt, ist scheinheilig, weil er Trump erlaubt, weiter zu machen“, sagte eine Kommentatorin.

Am selben Tag hatte Trump einen Auftritt vor Polizisten im Weissen Haus. Er machte eine schwache Figur. Er wedelte mit dem Ausdruck des Essays herum, lief erregt hin- und her und zeigte auf einen gelb hervorgehobenen Abschnitt des Texts. Er sprach von Verrat und hatte nicht den triumphierenden und zynischen Ton, den er normalerweise bei Rallys drauf hatte, sondern schien echt in seiner Ehre gekränkt, wütend und ratlos. Allerdings erhielt er am Schluss trotzdem Applaus von den Polizisten.

Er konnte sichtlich nicht verstehen, was da vor sich ging. Das hing auch damit zusammen, dass er sich immer noch als einen der besten Präsidenten sah, die die USA je hatten. Am Treffen mit den Polizisten sagte Trump: „Meine Beliebtheitswerte gehen durch die Decke.“ Sie gingen eher Richtung Boden, auch wenn die Basis immer noch zu ihm hielt.

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